Steffen Grundmann, Stadtrat für die Partei DIE LINKE und Flüchtlingssozialarbeiter im Spreehotel, schrieb einen Brief an die Fraktionsvorsitzenden im Bautzener Stadtrat. Er bat mich, ihn hier zu veröffentlichen.

Man hätte ein Zeichen setzen können. Ein Zeichen der Anerkennung, ein Zeichen pro Integration, ein Zeichen für Menschlichkeit, ja auch ein Zeichen der Dankbarkeit!

Aber wie schon im letzten Stadtrat, als es um einen wahrlich geringen Zuschuß (0,008% des Gesamthaushalts) für eines von VIELEN sozialen Projekten in der Stadt ging, gab es am 07.11. wohl wieder eine Diskussion in einer Art und Weise, die ganz viel Sachlichkeit und gesunden Menschenverstand vermissen lässt.

Eine unserer regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben im Stadtrat und in den Ausschüssen ist es darüber zu beschließen, ob es die verschiedensten Projekte verdient haben, einen Zuschuß oder eine dauerhafte Förderung zu erhalten. Diskussionen dazu sind ganz normal aber überschaubar, meist handelt es sich um Verständnisfragen oder eine Unklarheit. Auf jeden Fall sind die Diskussionen dazu stets sachlich geführt. Warum sollten wir uns als Stadt nicht auch zusätzlich freiwillig über das gesetzlich vorgeschriebene Maß sozial engagieren? Wir können es uns doch leisten – darüber hinaus machen sie ja auch Sinn!

Jetzt könnte ich an dieser Stelle ganz sachlich hinterfragen, warum dies bei Beschlüssen von Zuschüssen für Projekte, die in Verbindung mit den hier untergebrachten & lebenden Migranten und Flüchtlingen stehen, nicht möglich ist.

Aber muss ich mit gezwungener Sachlichkeit auf eine Ignoranz reagieren, die ich mir persönlich beim besten Willen nicht schönreden kann?

So sachlich, wie man einen Zuschuß verwehrt mit dem Argument des unternehmerischen Risikos? Wo in 3,5 Jahren bewiesen wurde, dass man Flüchtlinge auch menschlich betreuen kann? Wo der Profit nicht an erster, zweiter oder dritter Stelle kommt? Wo es den Beteiligten über eine bezahlte Tätigkeit hinaus auch um eine Herzensangelegenheit geht? Wo sowohl dem Landkreis als auch der Stadt regelmäßig UND gern ganz unbürokratisch aus der Patsche geholfen wurde – weil es uns um die Menschen geht?

Oder so sachlich, indem man in 3,5 Jahren überprüfen konnte, dass eine Neiddebatte völlig falsch ist – weil kein Hartz IV-Empfänger ernsthaft mit Flüchtlingen in einem EHEMALIGEN Hotel tauschen würde – genau diese Neiddebatte aber aktiv befördert wird?

Oder so sachlich, indem behauptet wird, es wäre ja gar nicht die Aufgabe der Stadt, sondern des Landkreises und des Landes, sich um „diese Ausländer“ zu kümmern? Im besten Falle bedeutet diese Aussage, dass einige Stadträte NICHTS, aber auch GAR NICHTS verstanden haben. Den schlimmsten Fall zu interpretieren verbietet meine gute Kinderstube! Verdammt nochmal: Es sind Bürger unserer Stadt!

Woran liegt es, dass bei Themen, die Ausländer in welcher Form auch immer beinhalten, mit fadenscheinigen „Argumenten“ alles versucht wird, die Beschlüsse platzen zu lassen?! Es wird relativiert, es werden hanebüchene Vergleiche gezogen, es ist weder „C“hristlich noch ver“B“ündet.

Aber immer wieder: „Aber Bautzen ist doch keine rechte Stadt!!!“

Mal ein Hinweis: Wenn ein Rechtsruck dazu führen würde, dass man den Rechten Stimmen wegnimmt, dann hätte die Sachsen-CDU 54% und hier in Bautzen könnte die CDU bei den nächsten Wahlen entspannten 60% entgegensehen. Und man hätte nicht 33% rechts von der CDU in Bautzen zur BTW 2017.

Das Einzige, was GEGEN rechte Umtriebe wirklich hilft, ist ein klares Auftreten FÜR ein Miteinander, FÜR Toleranz, FÜR Menschlichkeit, FÜR eine Willkommenskultur, FÜR Integration, GEGEN Hass & Hetze. Dies muss von den Stadtverantwortlichen vorgelebt werden, dann spornt dies auch die Bürger, die sich sonst aus verschiedenen Gründen verdeckt halten, vielleicht auch an, Position zu beziehen – und Stück für Stück wird im gleichen Maße Intoleranz zurückgedrängt, die Hetze wird leiser und irgendwann … mit viel Geduld … und etwas Glück … verstummen.

Ich für meinen Teil sehe nun zwei Möglichkeiten: Den Kopf in den Sand stecken und den „ewig Besorgten“ das Feld überlassen oder bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, worauf es EIGENTLICH ankommen sollte: Auf ein gerechtes, soziales Miteinander, egal ob hier Geborener oder Zugezogener, ob Deutscher, Sorbe oder Migrant!

Zur Not weise ich darauf hin, bis es wehtut!

Auf jeden Fall kann ich auf ein Bündnis verzichten, auf welches man sich – wenn‘s drauf ankommt – ohnehin nicht verlassen kann.

Aber vielleicht ist das Thema Asyl/Flucht/Migranten ja auch nur Mittel zum Zweck, um unserem OB in gemütlicher Regelmäßigkeit eins „reinwürgen“ zu können. Man hätte nämlich, anstatt Unterstützung zu heucheln, Zweifel an der BV artikulieren können und damit eventuell eine Abstimmung im Stadtrat ermöglichen können. DAS wäre eine folgerichtige Entscheidung eines Bündnispartners gewesen. Und nicht zuversichtlich ins Messer laufen lassen!

Das, was am Dienstag passiert ist, erwarte ich allerhöchstens vom politischen Gegner!

PS: Nur mal als Funfact: Der Landkreis fördert das Projekt „Quartierbüro / Integrationszentrum Spreehotel“ – als eine von 4 geplanten Finanzierungssäulen – seit Oktober mit monatlich ca. 1.500€.

Davon profitieren vor allem geflüchtete Menschen – *Achtung!* IN Bautzen. Genauso wie die Stadt Bautzen selbst davon in besonderem Maße profitiert! Wie war die Diskussion im Stadtrat? Das „House of Resources“ ist doch auch über die Stadtgrenzen hinaus wirksam? Wieso sollte sich dann die Stadt mit 5.000€ beteiligen? Aber es wollte ja keiner hören, dass der Hauptanteil der Arbeit in und für Bautzen geleistet wird?! Und der Landkreis zahlt 4.500€ im restlichen Jahr für ein Integrations-Projekt im Spreehotel, welches VOR ALLEM der Stadt zugute kommt? Wie „blöd“ ist das denn?

Und jetzt wird auch noch ein Anschluß-Projekt für 2018 geplant, welches vom Landkreis immer noch mit voraussichtlich 1.000€ monatlich gefördert wird – und welches (jetzt nicht erschrecken!) weiterhin zum Großteil IN der Stadt wirksam sein wird. 12.000€ vom Landkreis!?

Wollen wir jetzt wirklich eine dämliche Diskussion über solche Gelder beginnen, wo sie herkommen und wo sie vor allem Wirkung entfalten?? Wollen wir diese Diskussion jetzt gern bei jedem geförderten Projekt in dieser Stadt führen? Wollen wir uns vorstellen, wenn wir bei jeder dieser Diskussionen mit „Nein!“ entscheiden würden, wie es dann hier bei uns aussähe? Wollen wir weiter Neiddebatten? Wollen wir weiter reden von „WIR“ und „DENEN“? Wollen wir den Alternativ-Besorgten wirklich zu 35%+ bei den nächsten Kommunalwahlen verhelfen?

Wenn diese ganzen Fragen mit keinem klaren NEIN beantwortet werden, dann bitte! Ich werde dann im gleichen Maße mit einem umso klareren NEIN antworten!

Als Abschlusssatz sollte ich jetzt symbolisch die Hand reichen und eine Perspektive für die zukünftige weitere Zusammenarbeit aufmachen – allein fehlt es mir dafür an der notwendigen Überzeugung!

 

Mit freundlichen Grüßen,

Steffen Grundmann

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