Am Freitag musste sich der einschlägig vorbestrafte Rechtsextremist Maximilian T. vor dem Amtsgericht Dresden verantworten. Der Prozess drehte sich um einen Vorfall aus dem Jahr 2023, bei dem T. gemeinsam mit etwa 15 weiteren Personen aus dem Umfeld der „Identitären Bewegung“ ein Grundstück in Dresden unerlaubt betreten und mehrere Stunden das Dach einer Unterkunft für Asylsuchende besetzt hatte. Auf dem Dach hatten sie unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift „Kein Raum für Überfremdung. #Remigration“ entrollt. Trotz mehrfacher Aufforderung durch Polizei und Eigentümer hatten die Beteiligten das Gelände nicht verlassen und mussten schließlich vom SEK vom Dach geholt werden. Die Staatsanwaltschaft warf T. Hausfriedensbruch vor.
Bereits vor Prozessbeginn zeichnete sich ab, dass dieser Verhandlungstag kein gewöhnlicher werden würde. T. betrat den Saal sichtlich fahrig, richtete sich noch die Haare und fragte ob die Verhandlung überhaupt stattfinde. Sein Wahlverteidiger Martin Kohlmann, ebenfalls in der rechten Szene aktiv, hatte sich am Morgen krankgemeldet. T. wollte sich zunächst nicht ohne Anwalt auf eine Verhandlung einlassen. Richter Hassel bestätigte die Krankmeldung, stellte aber klar: „Wenn ich sage, wir verhandeln, dann verhandeln wir. Und ich sage, wir verhandeln.“
T., offenbar überfordert, verließ mehrfach den Saal, um mit seinem Anwalt zu telefonieren, versuchte sich mit einem mündlichen Befangenheitsantrag gegen den Richter – zog diesen jedoch rasch wieder zurück. Auf die Frage des Richters, was er denn nun wolle, antwortete T. schlicht: „Das bestmögliche für mich rausholen.“
Während T. gerade nicht im Sitzungssaal weilte, sagte der Richter zum Staatsanwalt:„Der fährt doch viel besser ohne den Kohlmann.“
Während der Verhandlung zeigte sich der Richter offen für eine deutliche Strafmilderung im Vergleich zum ursprünglichen Strafbefehl. „Sie haben einen zugewandten Staatsanwalt und einen gut gelaunten Richter“, erklärte Hassel in Richtung des Angeklagten. Die ursprünglich im Strafbefehl angesetzten 140 Tagessätze à 30 Euro bezeichnete er als „knackig“ und stellte T. in Aussicht, dass er mit maximal 90 Tagessätzen den Saal verlassen werde.
Der zugrunde liegende Fall wurde schließlich zügig verhandelt: T. habe sich über mehrere Stunden unberechtigt auf dem Dach der Unterkunft aufgehalten und trotz wiederholter polizeilicher Aufforderungen das Gelände nicht verlassen. Nachdem Staatsanwalt und Richter mehrfach darauf hinwiesen, dass ein Geständnis strafmildernd wirken würde, räumte T. schließlich ein, auf dem Dach gewesen zu sein. Drei geladene Polizeizeug*innen konnten daraufhin unverrichteter Dinge wieder gehen.
Auf eine Rückfrage des Staatsanwalts, ob und wie die Aktion vorbereitet worden sei, verweigerte T. die Antwort. Der Richter beendete die Nachfrage lapidar mit: „Wir lassen ihn jetzt in Ruhe.“
Auf die Frage des Richters zu seinen aktuellen Lebensumständen antwortete er: „Bin auf der Suche nach einer jungen, hübschen Frau.“ – eine Antwort, die mit der eigentlichen Frage nach seinen Einkommensverhältnissen wenig zu tun hatte. T. gab schließlich an, seit dem 1. Juni 2025 arbeitslos zu sein und von Erspartem auf dem Grundstück seiner Eltern zu leben.
In seinem Plädoyer betonte der Staatsanwalt die Schwere des Delikts angesichts T.s mehrfacher einschlägiger Vorstrafen, darunter Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Strafmildernd wirke allerdings das späte Geständnis. Zudem zog er einen Vergleich zu anderen Hausbesetzungen in Dresden heran, bei denen das Strafmaß deutlich geringer ausgefallen sei. So sei es in der Vergangenheit etwa zu Verwarnungen mit Strafvorbehalt bei Besetzungen gekommen. Er beantragte eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 15 Euro – ein Antrag, dem der Richter folgte. Mit einem süffisanten „Wir schütten heute das Füllhorn der Gnade über Sie aus.“ verkündete Richter Hassel das Urteil.
Besonders deutlich wurde die eigentümliche Dynamik des Prozesses, als der Staatsanwalt sein Plädoyer mit dem Satz begann: „Dass das hier eine Theatervorstellung ist, dem müssen wir entgegentreten.“ Mit diesem Satz brachte er den Charakter der gesamten Verhandlung auf den Punkt. Zwischen saloppen Sprüchen des Richters, einem nervös telefonierenden Angeklagten und einem sichtbar unkonventionellen Verfahrensverlauf wirkte das Geschehen im Gerichtssaal immer wieder eher wie eine absurde Inszenierung als wie ein ernsthaft geführter Strafprozess.
Es gab einen Mitangeklagten aus München, der dem Prozess unentschuldigt fernblieb. Für ihn wurde der Einspruch gegen seinen Strafbefehl verworfen. Er muss seine Strafe nun in voller Höhe bezahlen.
Hintergrund:
Der Fall zeigt einmal mehr die Verflechtung rechtsextremer Akteur*innen in Sachsen, die gezielt Unterkünfte für Schutzsuchende als Ziel ihrer Aktionen wählen. Der Vorfall reiht sich ein in eine Serie rechter Übergriffe und Inszenierungen im Umfeld von Bautzen und Dresden. Dass der Prozess mit einem derart milden Urteil endet, dürfte sowohl für betroffene Menschen als auch für die demokratische Zivilgesellschaft ein fatales Signal sein.
