Gastbeitrag eines Menschen aus Dresden
Grundsätzliches
Bei der Wahl hat jede*r zwei Stimmen – Erststimme und Zweitstimme. Beide haben unterschiedliches Gewicht und Funktion. Man kann auch nur eine von beiden Stimmen abgeben was aber nicht viel Sinn macht. Aber welche Stimme bewirkt nun was und welche hat mehr Gewicht?
Was ist wichtiger – Erststimme oder Zweitstimme?
Zweitstimme klingt erst mal unbedeutender als Erststimme. Aber weit gefehlt! Die Zweitstimme gibt man einer Partei und es ist die Stimme, die allein über die Sitzverteilung im Bundestag bestimmt. Die Erststimme entscheidet dagegen höchstens darüber, welche Personen konkret in den Bundestag einziehen und wie viele Parlamentarier*innen insgesamt dem Bundestag angehören. Auf das Verhältnis der Parteien im Bundestag zueinander hat die Erststimme keinerlei Einfluss. Damit ist die Erststimme weit weniger bedeutend als die Zweitstimme.
Der entscheidende Satz fällt in diesem Video der “Bundeszentrale für politische Bildung” bei 3:45 min: „Das Kräfteverhältnis der Parteien im Bundestag muss grundsätzlich dem Verhältnis der abgegebenen Zweitstimmen entsprechen.“
Die Erststimme
Die Erststimme gibt man einer der Personen, die im eigenen Wahlkreis als Direktkandidat*innen antreten. Auch wenn die meisten Kandidat*innen von Parteien aufgestellt werden, handelt es sich hierbei um eine Personenwahl. Daher können sich auch Einzelkandidat*innen um das Direktmandat bewerben, die keiner Partei angehören. In den Bundestag wird immer nur die Person unter allen Kandidat*innen eines Wahlkreis gewählt, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann. Gedacht war es mal so, dass diese Person den Wahlkreis in Berlin vertritt und dabei die regionalen Belange der Einwohner des Wahlkreises einbringt. Diese Funktion hat sich aber in Zeiten der uneingeschränkten Reisemöglichkeiten und des Internets eigentlich schon lange überlebt. Da diese Art der Wahl (Mehrheitswahlrecht) aber historisch gesehen die Ursprünglichere ist, wird die Stimme, die man dafür abgibt als Erststimme bezeichnet.
Bei der Erststimme gilt wie oben schon angedeutet allein das Mehrheitsprinzip. Wer die meisten Stimmen im Wahlkreis bekommt, gewinnt diesen und zieht in den Bundestag ein (the winner takes it all). Alle unterlegenen Kandidat*innen gehen leer aus. Ihre Stimmen haben keinerlei Auswirkungen mehr. Wenn man es strategisch angeht macht es daher bei der Erststimme nur Sinn jemanden zu wählen, der*die auch realistische Aussichten darauf hat, die meisten Stimmen im eigenen Wahlkreis zu holen. Es ist allerdings häufig recht schwierig zu prognostizieren wer denn welche Chancen hat, im eigenen Wahlkreis zu gewinnen.
Die meisten Wähler*innen kennen die Direktkandidat*innen in ihrem Wahlkreis selten so gut, dass sie wirklich eine Person wählen könnten und haben meist auch weder die Lust, noch die Zeit, sich mit den Personen näher zu beschäftigen. Daher wählen viele Wähler*innen in der Regel den*die Kandidierenden der Partei, die ihnen am nächsten ist, obwohl es sich eigentlich um eine reine Personenwahl handelt. Wenn also nicht gerade eine bekannte Persönlichkeit als Direktkandidat*in (als Einzelkandidat*in oder für eine Partei) antritt, haben hier in der Regel nur die Kandidat*innen der größeren Parteien eine Gewinnchance. Zu Zeiten als CDU und SPD noch die Wahlen als sog. Volksparteien dominierten, fielen in der Regel alle Wahlkreise an die Kandidat*innen dieser beiden Parteien. Mittlerweile gelingt es auch den anderen im Bundestag vertretenen Parteien einzelne Wahlkreise zu gewinnen. Wer sich über die Prognosen einen groben Überblick verschaffen möchte kann dies mit der Wahlkreisprognose tun. Das Tool macht allerdings nur für eine grobe Übersicht Sinn und ist aufgrund einer nur eingeschränkten Datengrundlage im Detail eher unsicher.
Wer sich mit den Kandidat*innen im eigenen Wahlkreis näher beschäftigen möchte, der*die findet vielleicht denn Kandidatencheck des MDR ganz hilfreich.
Die Zweitstimme
Die Zweitstimme ist die Stimme, die eigentlich zählt. Das Resultat bei den Zweitstimmen ist das, was man bei den Hochrechnungen und beim Endergebnis wiedergegeben wird. Hier wird die Zusammensetzung des Bundestags festgelegt. Die Erststimme hat hier nur einen ganz geringen Einfluss. Durch sie wird lediglich beeinflusst, welche konkreten Kandidat*innen einer Partei in den Bundestag einziehen und wie groß der Bundestag am Ende sein wird (durch Überhang- und Ausgleichsmandate, was hier aber nicht weiter erläutert werden soll). Auf das prozentuale Verhältnis der Parteien im Bundestag zueinander hat die Erststimme keinerlei Einfluss. Hier entscheidet allein die Zweitstimme!
Bei der Zweitstimme zählen alle abgegebenen Stimmen und sie werden in Prozent ausgedrückt. Erreichen Parteien bundesweit jedoch keine 5 % (bzw. alternativ mindestens 3 Direktmandate), werden die Stimmen dieser Parteien bei der Berechnung der Sitzverteilungen für den Bundestag nicht weiter beachtet. Sie haben also allenfalls noch einen symbolischen aber keinerlei praktischen Wert mehr. Tendiert man also zu einer Partei, die sicher die 5-Prozenthürde nicht schaffen wird, muss jede*r Wähler*in für sich entscheiden, ob ihr*ihm die reine Symbolkraft reicht. Auch Wähler*innen von Parteien, die an der Hürde scheitern könnten, müssen sich bewusst sein, dass ihre Stimme im Fall des Scheiterns keinerlei praktischen Wert haben wird. Wenn allerdings zu viele Wähler*innen genau aus diesem Grund vor ihrer eigentlichen Wahl zurück schrecken, kann gerade dadurch die betreffende Partei an der Hürde scheitern.
Über die Zweitstimme wählt man als Wähler*in immer nur Kandidat*innen aus dem eigenen Bundesland in den Bundestag. Alle Parteien verabschieden vor der Wahl sog. Landeslisten auf denen ihre Kandidat*innen stehen. Parteien mit starken Ergebnissen in Sachsen können also entsprechend viele Kandidat*innen von ihrer Liste in den Bundestag entsenden. Wie viele Personen aus jedem Bundesland insgesamt in den Bundestag einziehen, ist vom Bevölkerungsanteil abhängig (Sachsen: 4,06 von 83,2 Mio. ~ 5,5 %) . Bei der Mindestbesetzung des Bundestags mit 598 Parlamentarier*innen entfallen 32 Sitze (~5,4 %) auf Politiker*innen aus Sachsen (Extrema: Bremen 5, NRW 128). Ist der Bundestag aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandate größer so kommen entsprechend mehr Kandidat*innen aus jedem Bundesland.
Eine Landesliste stellt eine Partei bei einem Parteitag vor der Wahl auf. Die Kandidat*innen auf der Liste werden in der auf ihr vorgegebenen Reihenfolge in den Bundestag entsandt. Die*der Spitzenkandidat*in auf Platz 1 wird bei einer Partei über 5 % also ziemlich sicher in den Bundestag einziehen. Die Kandidat*innen auf den unteren Plätzen haben eigentlich nur bei einem überraschend starken Abschneiden im eigenen Bundesland eine Chance. Da die Parteien die Listen selbst aufstellen, haben die Wähler mit ihrer Wahl keinen Einfluss darauf, welche Kandidat*innen einer Partei konkret im Bundestag sitzen werden.
Wer noch gar nicht weiß, welche Partei er*sie mit seiner*ihrer Zweitstimme wählen soll, kann sich mit dem Wahl-O-Mat einen Überblick verschaffen, welche Parteien denn zur eigenen Meinung passen könnten. Hier ist es auch möglich Themen, die einem besonders wichtig sind, zu gewichten.
Ein ähnliches Angebot ist der Wahlswiper. Hier kann man sich zusätzlich noch ein kurzes Video anschauen, bevor man eine Frage zu einem Politikfeld mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet (bzw. die Frage unbeantwortet lässt, indem man sie überspringt) und gewichtet. Durch das Erklärvideo wird nochmal klarer, um was genau es bei der Frage überhaupt geht und was jetzt genau z.B. EEG-Umlage, Spitzensteuersatz oder Ehegattensplitting waren.
Eine weitere themenspezifische Alternative wäre der Sozial-O-Mat der Diakonie, der das Gewicht besonders auf soziale Aspekte legt.
Die beiden Wahlkreise in Dresden
In Dresden gibt es zwei Wahlkreise: Der Wahlkreis Dresden I mit der Nummer 159 umfasst die Stadtbezirke Altstadt, Blasewitz, Leuben, Plauen und Prohlis. Der Wahlkreis Dresden II/Bautzen II mit der Nummer 160 umfasst die restlichen Stadtbezirke sowie Ortschaften von Dresden sowie Gemeinden im Landkreis Bautzen.
Die Direktkandidat*innen aus Sachsen findet ihr mit entsprechenden Statements im MDR Kandidatencheck für den Wahlkreis 159 und für den Wahlkreis 160. Wer sich für die Meinungen der Kandidat*innen interessiert und überprüfen möchte inwieweit die eigenen Meinungen mit denen der Kandidat*innen kann das mit dem KandidierendenCheck von Abgeordnetenwatch.de machen. Leider gibt es hier aber nicht so wie bei Wahl-O-Mat möglich, Themen, die man besonders wichtig findet nochmal zu gewichten.
Wer möchte kann sich als ganz groben Anhaltspunkt die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl 2017 für den Wahlkreis 159 und für den Wahlkreis 160 nochmal anschauen. In den meisten Fällen treten in diesem Jahr jedoch ganz andere Direktkandidaten als 2017 in den Wahlkreisen an.
Was soll ich nun Wählen?
Immer noch unschlüssig? Dann können wir Dir eine ganz klare Empfehlung geben! Wähle antifaschistisch und zukunftsorientiert!
Quellen
Wie viele Abgeordnete entsendet jedes Bundesland in den Bundestag: https://www.bundestagswahl-bw.de/sitzberechnung-btw