Gastbeitrag von Nico und Steffi Brachtel aus Freital 

Ach Freital, wirst bald 100 Jahre alt. 1921 gegründet als Arbeiter*innenstadt für das örtliche Stahlwerk und den Tagebau, bekannt als das „Rote Freital“. Die Weltfinanzkrise von 1928 ging an dir spurlos vorbei, die Werke waren gefragt und sicherten das Einkommen. Die nette kleine, gar idyllische, Stadt bei Dresden galt als Hochburg der Arbeiter*innen und der SPD. So auch in den 30er Jahren; Hitlers NSDAP fasste keinen Fuß, zu stark waren die sozialdemokratischen Ausrichtungen des Proletariats. Dennoch gab es auch in dieser Stadt Zwangsarbeiter.

Nur wenige Jahre nach dem Krieg erholte sich Freital schnell und es siedelten sich die verschiedensten Industriezweige an. Arbeitsplätze waren gesichert und eigentlich ging es auch allen soweit gut. Die sozialdemokratische Idee wurde von der autoritären DDR-Führung abgelöst. ’89 dann die Wende. Arbeitsplätze fielen weg, viele verloren ihre Existenz und die Abkehr und Enttäuschung von sozialen Parteien kam. Es war, als wenn die Menschen alles von sich weg schieben wollten, was auch nur im Entferntesten mit der Vorstellung von Sozialismus zu tun hatte. Das „Projekt Kommunismus“ wurde, wie überall im Land, für gescheitert erklärt. Rechtes und nationales Gedankengut konnte in der frustrierten Stadtgesellschaft einziehen. Ganz nach dem Motto: Jetzt sind wir dran! So konnte es nicht wundern, dass Parteien, wie NPD und DVU hier auf große Zustimmung stießen. Menschen, welche nach wie vor am Sozialismus festhalten wollten, wurden als „rote Socken“ betitelt. Die NPD eröffnete hier ihr Büro, bis sie dann 2004 in den sächsischen Landtag einzog. Nazi-Prominenz ging im hier ansässigen „Gremium M.C.“ (eine mittlerweile verbotene Vereinigung),oder auch im „Leberschaden e.V.“,ein und aus, vermutlich auch die NSU-Terroristin Beate Zschäpe.

Mit der NPD gab es auch einen parlamentarischen Arm der Neonazis, lange bevor mensch überhaupt von der AfD hörte.
Und bis heute stellt die NPD einen fraktionslosen Stadtrat, Dirk Abraham (was für eine Ironie bei diesem Namen), welcher auch in den Chats der rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ und auf dem berühmten Hitlergrußbild der Gruppe mit auftaucht. 

Auch Pegida wurde hier von Anfang an unterstützt. Nicht zuletzt durch den Umstand, dass Lutz Bachmann hier einen recht großen Bekanntenkreis hatte. So war einigen wenigen Freitaler*innen relativ schnell klar, wohin der Weg der selbsternannten Patrioten ging. Nur leider waren diese Menschen in der Unterzahl. 

Und was ist jetzt los in Freital? 9 Monate nach der Verurteilung der Gruppe Freital wurde Anklage gegen zehn weitere potenzielle Unterstützer*innen erhoben und der Prozess geht weiter. Katja Kaiser, ein bekannter Name in Dresden und Freundin von einem Verurteilten, wurde in der „Heidenauer Wellenlänge“, der „Freien Kameradschaft Dresden“ sowie der „Anti-Antifa“ tätig und organisiert rechtsradikale bis rechts-außen Proteste. Dirk Abraham ist mehr oder weniger untergetaucht und die Stadtgesellschaft, allen voran Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU), leugnen weiterhin die nationalistische Gesinnung in der Stadt. Alles beim Alten.

Dennoch gibt es Hoffnung für die kleine große Kreisstadt: Menschen werden aktiv, bringen sich in politischen und humanitären Initiativen und Partein ein, wollen die Stadt voran bringen und dessen Nazi-Vergangenheit aufarbeiten. Sie wollen das Stadtbild verändern.
Es gibt uns Hoffnung, Hoffnung, dass die AfD-Hochburg vielleicht doch noch nicht komplett im braunen Sachsensumpf verloren ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert